Jeep auf den Spuren der Völkerwanderung - Rekordfahrt von Paris nach New York

Diskutiere Jeep auf den Spuren der Völkerwanderung - Rekordfahrt von Paris nach New York im Offroad-Touren, Reiseberichte und -Erfahrungen Forum im Bereich Aktivitäten; 02.12.2008: Olgy - Hovd Pisten-Etappe mit Bergeaktion Andere Länder, andere Sitten: Mit Frühstück einmal anders sind wir in unseren Tag gestartet....

  1. #41 BlueGerbil, 05.12.2008
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    02.12.2008: Olgy - Hovd
    Pisten-Etappe mit Bergeaktion
    Andere Länder, andere Sitten: Mit Frühstück einmal anders sind wir in unseren Tag gestartet. Im türkischen Restaurant gab es Sis Kebab und Suppe – wer weiß, wann es das nächste Mal etwas Richtiges zu Essen gibt. Während wir uns beim Türken gestärkt haben, hat sich offensichtlich ein Mensch mit anderen Frühstücksgewohnheiten am Kühlschrank in unserem Hotelzimmer bedient. Dort haben wir am Abend zuvor im Gefrierfach rohes Fleisch am Knochen gefunden – diese nicht gerade appetitliche Mahlzeit war verschwunden, als wir mit den Autos zurückkamen, um unser Gepäck einzuladen. Wie gut, dass wir auf dieses besondere Frühstücksangebot des Hotels nur zu gut verzichten konnten!
    Nicht nur in punkto Frühstück, sondern auch in Sachen Telekommunikation haben wir gestern eine Grenze überfahren. Der Handyempfang hörte kurz hinter Novosibirsk auf, um dann noch einmal für das kurze Stück Grenzübergang von Russland zur Mongolei zurückzukommen. Danach ging an moderner, terrestrischer Telekommunikation nichts mehr. Wie gut, dass Matthias unser On-Board-Satellitentelefon, -fax, und -email problemlos in Betrieb nehmen konnte! Nichtsdestotrotz sind wir an unseren Etappenzielen immer auf der Suche nach einem verlässlichen Internet-Zugang, um Bilder und Texte in größeren Mengen zu verschicken. Der Ullmann-Verlag und verschiedene Redaktionen sowie die Homepage warten ja ständig auf neuen Input. Hendrik und Astrid ist es an diesem Morgen in Olgy in einem öffentlichen Internet-Büro immerhin gelungen, in mehr als einer einstündigen Aktion den Tagesbericht von der Grenzüberfahrung zur Mongolei und drei dazugehörige Bilder zu verschicken. Auch hier müssen wir für die Mongolei wohl neue Maßstäbe ansetzen.
    Unter dem Gesichtspunkt der zu fahrenden Kilometer stand eine eher kurze Etappe für heute auf dem Expeditionsplan: Die beiden Etappenziele Olgy und Hovd liegen nur 200 Kilometer voneinander entfernt. Entsprechend haben Fotograf und Filmteam heute wieder reichlich Zeit auf der Straße zugebracht – wir hatten es ja nicht weit. Allerdings war diese Etappe die erste vollständige Strecke ganz ohne Straße. Auf Pisten aus Sand und Stein kamen wir nur langsam voran. Noch dazu hatten wir auf diesem Weg zwei Pässe mit über 2.600 Metern zu überqueren. Mit den schweren Gespannen hieß das Fahren in niedrigen Gängen über viele Kilometer.
    Die Landschaft war atemberaubend. Seen, ein 4000er-Gipfel, schneebedeckte Berge und kahle Hügelketten aus Sand und Stein lagen auf unserem schwierigen Weg. Über weite Strecken hatten wir schon das Gefühl, in der Wüste unterwegs zu sein. So weit die Blicke schweifen konnten – und das war ganz schön weit – war kein Baum und kein Strauch zu sehen. Und auch kein anderes Auto. Auf den gesamten 200 Kilometern stand nur ein einziger Wegweiser am Straßenrand. Oft genug gelang es nur mit Hilfe unseres mongolischen Guides, den richtigen Weg zu finden.
    Als die Landschaft gerade so richtig überwältigend war – ein weites, von Bergen umringtes Hochplateau-Tal, Seen links und rechts und ein Sonnenuntergang, wie er kitschiger nicht hätte sein können – wartete noch ein echter Offroad-Einsatz auf uns. Vor uns war ein Laster bei der Durchfahrung eines Flussbetts ins Eis eingebrochen. Die beiden Fahrer hatten bereits die gesamte Ladung neben dem Fahrzeug gestapelt und sich ein provisorisches Zelt aus einem abgespannten Tuch gebaut. Nicht viel angesichts von inzwischen minus 24 Grad Kälte und scharfem Wind. Sie warteten bereits seit zwei Tagen auf Hilfe. Kurz entschlossen hat Matthias die Winde am F1 aktiviert. Bei voll gezogener Bremse hat die Winde Jeep und Trailer mit acht blockierten Rädern Stück für Stück auf den Laster zugezogen. Selbst zusammen mit dem zweiten Fahrzeug konnten wir unsere 8,5 Tonnen schweren Fahrzeuge nicht stark genug ankern, um den 12 Tonner, der bereits im Eis eingefroren war, aus seiner Lage zu befreien. Etwa anderthalb Stunden haben wir uns mit beiden Fahrzeugen und allen zur Verfügung stehenden Kräften darum bemüht, den Lasterfahrern zu helfen. Leider vergebens. Wir hoffen, dass der Bulldozer, der zur Bergung des Lkws unterwegs ist, möglichst schnell bei den beiden Lasterfahrern eintrifft und sie aus ihrer lebensbedrohlichen Lage befreit.
    In Hovd angekommen fanden wir freundliche Aufnahme bei Nasas Familie. Dort wurden wir köstlich bewirtet und rollten zu einer ruhigen Nacht unsere Schlafsäcke in der Wohnung aus.

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  2. #42 BlueGerbil, 06.12.2008
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    03.-05.12.2008: Hovd - Gobi - Altay

    An der Wüste entlang zum Wasserkraftwerk

    Matthias war schon mit dem Gefühl wach geworden, dass die Autos nach den 200 Kilometern Waschbrett-Piste dringend kontrolliert werden müssten. Intuitives Fahren: Das Gefühl war richtig! Beide Auspuffanlagen mussten befestigt und zahlreiche Schrauben nachgezogen werden. Nachdem Nasaas Mutter F1 und F2 geweiht und wir uns von seiner sehr freundlichen Familie verabschiedet hatten, machten wir uns in der anbrechenden Dunkelheit auf den Weg in den 450 Kilometer entfernten mongolischen Ort Altay.
    Erneut waren wir auf harten Waschbrettpisten aus Stein und Sand unterwegs. Leider fuhren wir auch jetzt wieder im Dunkeln, so dass wir von dem Gebirge und dem großen See, die wenige Kilometer nach Hovd auf dem Weg lagen, wenig bis gar nichts gesehen haben. Das musste sich dringend ändern! Denn unsere heutige Etappe führte uns durch die Wüste Gobi. Und von der wollten wir uns alle ein Bild machen. Entsprechend sind wir gefahren bis alle Fahrer erschöpft waren und haben dann eine Schlafpause in den Autos eingelegt. Mit dem Sonnenaufgang über der Wüste wurden wir wach. Die Pause hatte sich gelohnt – der Blick war atemberaubend! Trotz der minus 27 Grad Außentemperatur sind wir alle mit gezückten Kameras nach draußen gesprungen. Unerfreulicherweise stand außer dem touristischen Highlight “Wüste Gobi im Sonnenaufgang” auch noch eine große Tankaktion mit Umpumpen an, so dass jetzt auch der Letzte im Team eine Idee von den Temperaturen hatte, die uns noch erwarten.

    Die Wüste war landschaftlich sehr beeindruckend – die Bilder unseres Fotografen sprechen für sich. Aber auch die Begegnungen, die wir dort hatten, waren ganz besondere. Ein Ziegenhirte kam auf uns zu, um uns nach seiner Nacht draußen zwischen seinen Tieren um etwas zu trinken zu bitten. Eine Kamelkarawane kreuzte unseren Weg. Und bei einer Nomadenfamilie trafen wir Lkw-Fahrer, die kein Benzin zum Weiterfahren mehr hatten. Doch auch unsere Tanks waren leer – und das Bioethanol, das wir aus unserem großen Tank hätten spenden können, wäre dem russischen Laster nicht wirklich gut bekommen. Nach diesen Wüstenerlebnissen waren wir alle erstaunt, als wir nur wenige Kilometer weiter in den 12.000 Einwohner zählenden Ort Altay kamen. Größer hätte der Kontrast nicht sein können!
    Die zentrale Botschaft unserer Expedition ist die Nutzung erneuerbarer Energien. Ein Thema, das in der Mongolei höchste Priorität genießt. Jeder zweite Mongole nutzt bereits heute erneuerbare Energien für seine Versorgung. Das Land bietet alle Ressourcen zur Nutzung von Wind, Wasser und Sonne zur Gewinnung von Energie. Von Altay aus haben wir heute das größte Wasserkraftwerk der Mongolei, das Kraftwerk Taishir, besichtigt: Der Staudamm mit einer Höhe von 45 Metern wird 930 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten, wenn der Stausee in fünf bis acht Jahren wirklich angefüllt ist. Auch beim Anstauen des Wasservorrats wird auf die Natur Rücksicht genommen: Aus dem Fluss Zavkhan wird nur zusätzliches Hochwasser angestaut – das reguläre Wasser des Flusses folgt auch weiterhin seinem Verlauf. Eine Ingenieurin hat uns ihren Wirkungsbereich erklärt und uns in einen unterirdischen Tunnel unter der beeindruckenden Staumauer geführt. Mit diesem Bau sind die Mongolen auf einem guten Weg zu umweltverträglicher Energieerzeugung.

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  3. #43 BlueGerbil, 11.12.2008
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    06.-08.12.2008: Gobi Altay – Arvaiheer – Harhorin – Nationalpark Hustai
    Auf unserer Etappe von Gobi Altay nach Bayanhongor hatten wir an Fahrbelag eigentlich alles, was vorstellbar ist: harte Waschbrettpisten, extrem schwer zu fahrende Sandstrecken mit heftigsten Schlaglöchern, Schneepisten, Berg- und Talfahrten auf braunem Gras, ein schier unendliches Hochplateau mit gut zu fahrender Piste und absolut neuen, wunderbar glatten Asphalt auf den letzten zehn Kilometern vor unserem Ziel. Das hieß jedoch nicht mehr Bayanhongor, sondern Arvaiheer. Der Grund für diese spontane Änderung des Etappenziels: Die beheizte Garage sollte plötzlich zwanzig Mal mehr kosten, als zuvor vereinbart war.
    Dank dessen, dass wir an der mongolischen Grenze so zügig und zuvorkommend abgefertigt wurden und wir auch bei den längeren Etappen mit Nachtfahrt trotz zweier spontaner Arbeitseinsätze an den Gespannen unerwartet gut voran gekommen sind, liegen wir seit unserer Einreise in die Mongolei vor dem Zeitplan. Diesen Vorsprung vor dem Expeditionstiming haben wir durch die Weiterreise nach Arvaiheer weiter ausgebaut. Entsprechend können wir die kommenden Tage entspannt angehen, was auch mal ein gutes Gefühl ist.
    Durch die Zieländerung von Bayanhongor auf Arvaiheer mussten wir im Dunkeln einen Flusslauf durchqueren, von dem wir nicht sicher waren, ob dieser wirklich zugefroren war. Unmittelbar vor dem tatsächlich befahrbaren Flusslauf haben wir einen Tankstop eingelegt. Die routinemäßige Sichtkontrolle an Jeeps und Trailern endete dabei leider mit negativem Befund: Etliches war losgerüttelt, ein Spanngurt vom Ponton gerissen. Diese eigentlich geringfügigen Reparaturen sind bei Sturm mit Sand und Schnee in der Luft und einer Temperatur von minus 25 Grad zu einer riesigen Aktion für das ganze Team geworden. Um überhaupt erst den neuen Spanngurt anlegen zu können, musste zunächst der Kotflügel vom Anhänger abgebaut werden. Glücklicherweise gab es direkt an diesem Flusslauf, dem Ort unseres Arbeitseinsatzes, eine Jurtensiedlung. Hier konnten wir uns aufwärmen und wir erhielten nach einer etwa zweistündigen Schraubaktion frisch zubereitete Nudeln, so dass wir gut gestärkt die Nacht durch fahren konnten.
    Bei einer späteren Reparaturaktion hatten wir eine sehr kuriose Begegnung: Auf der Strecke nach Arvaiheer sind wir durch ein riesiges Tal gefahren – 30 Kilometer Weite nach links und nach rechts, nach vorne und hinten gab es eigentlich gar keine Begrenzung, außer uns kein Mensch in diesem Tal unterwegs. Matthias hatte nach dem Einschlag in eine gigantische Bodenwelle kurzfristig beschlossen, die vorderen Stoßdämpfer am F1 zu wechseln. Als wir an einem Steinhaufen das Auto aufgebockt hatten, zischte plötzlich ein Pkw heran, bremste ab und hielt neben uns. Vier Mongolen stiegen aus und erkundigten sich nach der Expedition und der Reparatur. Sofort wurden wir zu Pferdefleisch und Vodka eingeladen. Es gab ein improvisiertes Picknick mit allen verfügbaren Vorräten und wir bekamen noch eine weitere Flasche Vodka geschenkt. Wie sich herausstellte, hatten wir es mit einem Geschäftsführer eines großen mongolischen Unternehmens zu tun. Ganz kurios wurde es, als wir zum Abschied jeder eine Musik-CD dieses Mannes geschenkt bekamen und er Matthias und Evgeny auch noch zwei DVDs überreichte, auf denen er als Dschingis Khan mitgespielt hat.
    Nächste Station nach Arvaiheer, wo wir erneut Jeeps und Trailer auf Rüttelschäden überprüft haben und das Team in einem guten Hotel ein bisschen Ruhe getankt hat, war Harhorin. In der alten Stadt von Dschingis Khan, die heute UNESCO Weltkulturerbe ist, erhielten wir eine englischsprachige Führung durch das Museum und die buddhistischen Tempel. Von dort aus sollte eine Jurtenübernachtung für uns organisiert werden – kein einfaches Unterfangen. Matthias hatte bereits auf seiner Scouttour durch die Mongolei in einem schönen Camp unmittelbar am Fuß der beeindruckenden Düne Elsen-Tasarhai übernachtet. Leider bestand diese Option für uns nicht, da dieses Jurten-Camp wie viele andere unterwegs ebenfalls bereits winterfest gemacht und nicht mehr bewohnbar war. So führte uns diese Etappe noch einmal 250 Kilometer weiter in Richtung Ulan Bataar in Jurten des Nationalparks Hustai.
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  4. #44 BlueGerbil, 14.12.2008
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    09.-12.12.2008: Hustai – Ulan Bator

    Vom Nationalpark in die Millionenmetropole

    “Das war unsere bislang schönste Strecke”, waren wir uns alle einig, als wir auf die kurze Asphaltpiste unmittelbar vor Ulan Bator auffuhren. Hinter uns lagen 200 Kilometer hügeliges Naturschutzgebiet und ein weites Tal entlang des Flusses Tuul. Absichtlich haben wir uns gegen den schnellen Weg über die Hauptstrasse von Hustai in die mongolische Hauptstadt entschieden: Wir hatten gehofft, einen Blick auf die frei lebende Przewalski-Herde in diesem Gebiet werfen zu können. Dieses Glück haben wir leider nicht gehabt. Für einen kurzen Moment konnten einige von uns auf einer Bergkuppe zwei Pferde ausmachen, die von der Statur her zwei Urpferde hätten sein können. Nicht lange genug, um Fotos zu machen. Nicht einmal lange genug, damit jeder aus dem Team diese davonspringenden Wesen überhaupt erkennen konnte. Trotzdem hat uns die fantastische Landschaft für die nicht angetroffenen Urpferde vollends entschädigt.

    In Ulan Bator sind wir exakt einen Tag vor dem Plan eingetroffen – entsprechend haben wir mit Nasaas Hilfe eine provisorische Übernachtung für uns und kurzfristig eine beheizte Garage für unsere Jeeps organisiert. Bei unserer Abfahrt am nächsten Morgen wurden wir dort von einem Studenten in fast perfektem Deutsch angesprochen. Ein Glücksfall, denn ab mittags stellte er sich mit seinem Auto als Guide für den Fotografen und das Kamerateam zur Verfügung. So erhielten wir reichlich Aufnahmen und spannende Fotos von allen möglichen interessanten und besonderen Plätzen in Ulan Bator. Währenddessen haben Matthias, Evgeny und Nasaa sich um die aufwendige Reinigung unserer Gespanne gekümmert, die durch lange Fahrten über teils staubige, teils schneebedeckte Pisten mit einer grau-braunen angefrorenen Kruste bedeckt waren.

    Einen ganz besonderen Platz haben wir in der Hauptstadt für unsere planmäßigen Übernachtungen gefunden: Wir schlafen für zwei Nächte im Kempinski Hotel Khan Palace. Es ist nicht nur das beste Hotel am Platz, sondern tatsächlich das beste Hotel in der ganzen Mongolei. Sogar unser Bundespräsident hat schon hier genächtigt. Entsprechend genießen wir vor unserer langen, reinen Fahretappe nach Yakutsk und dann weiter nach Magadan noch einmal den Luxus eines renommierten Hauses unter deutscher Führung. Mit Aufnahmen unserer Jeeps und Trailer vor dem Hotel besiegeln wir diese neue Partnerschaft und danken ganz speziell dem Management des Hauses unter Herrn Stechow für die sehr zuvorkommende Aufnahme und Unterstützung.

    Die Übernachtung erstklassig, die Gespanne frisch gereinigt und überholt – was wollten wir für unseren Stop in der mongolischen Metropole mehr, als eine gelungene Pressekonferenz? Und die gab es dann auch noch. Die Deutsche Botschaft Ulan Bator hat in Kooperation mit dem Presseinstitut zur Vorbereitung unserer Projektpräsentation hervorragende Arbeit geleistet: Vor gefülltem Saal und 150 Vertretern, vor allem aber Vertreterinnen, aller namhaften Medien im Land konnten wir unsere Expedition mit Hilfe einer versierten Dolmetscherin ausführlich darstellen und zahlreiche interessierte Fragen beantworten. Mit diesem umfangreichen Interesse hatten wir im Vorfeld nicht gerechnet, entsprechend waren wir begeistert.

    Zum Abschluß unserer Tage in Ulan Bator waren wir als Ehrengäste zu einer Konferenz über regenerative Energien eingeladen. Veranstalter dieses hochrangig besetzten mehrtägigen Forums war das mongolische Ministerium für Mineralstoffe und Energie. Nach dem Minister, dem Präsidenten der mongolischen Akademie der Wissenschaften und einem Weltbankvertreter stellte Matthias die Expedition und die damit zusammenhängenden Aspekte der erneuerbaren Energien vor.

    Nach diesen erfolgreichen Tagen in der mongolischen Hauptstadt führt uns die nächste Etappe wieder zurück nach Russland. Nach der Passage der mongolisch-russischen Grenze heißt unser nächstes Ziel Ulan Ude.

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  5. #45 BlueGerbil, 14.12.2008
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    12.-13.12.2008: Ulan Bator – mongolisch-russische Grenze – Ulan Ude

    Zurück nach Rußland

    Auf unserem allerletzten Wegstück in der Mongolei waren wir doch so einigermaßen verblüfft: Die Mongolen können wunderbare Straßen bauen! Die 350 Kilometer zwischen Ulan Bator und der mongolisch-russischen Grenze waren astreiner Asphalt oder schnurgerader Plattenweg. Entsprechend kamen wir trotz zahlreicher Fotostops zügig voran und benötigten für diesen Weg etwa sechs Stunden. Da wir wegen unseres späten Aufbruchs nicht mehr rechtzeitig vor der Schließung der Grenze eintrafen, übernachteten wir spontan im grenznahen Ort Sukbaataar. Erneut waren wir dankbar für unseren Guide. Nasaa organisierte kurzfristig eine Übernachtungsgelegenheit für uns und eine Parkmöglichkeit für die Jeeps in einer Waschgarage. Dort konnten wir die Autos nach Schließung des eigentlichen Betriebs bis zu unserem Aufbruch am frühen Samstagmorgen im Warmen parken, damit nicht alle Gummis einfrieren und bei der allerersten Bewegung kaputt brechen.

    Bei Vollmond und noch im Dunkeln brachen wir am Hotel auf, um an der Grenze möglichst wenig Wartezeit wegen anderer Fahrzeuge vor uns zu haben. Außerdem konnte sich unser Programm für diesen Tag sehen lassen: 25 Kilometer Fahrt zur Grenze, Ausreise aus der Mongolei, Einreise nach Russland, 230 Kilometer Fahrt nach Ulan Ude und um 17 Uhr Pressekonferenz in der buriatischen Hauptstadt. Da musste schon alles extrem glatt laufen, dass wir diese Punkte alle plangemäß abarbeiten konnten. Der erste Step war kein Problem – kurz nach 9.00 Uhr, der Öffnungszeit der Grenze, kamen wir dort an. Vor uns standen bereits zahlreiche Pkw, Kleinbusse und Lkws auf der Straße, doch wir wurden an allen vorbei gewunken. Mit Nasaas Hilfe erledigten wir die Formalitäten an der mongolischen Grenze erneut in außergewöhnlich kurzer Zeit. Wir danken besonders der mongolischen Regierung für diese zuvorkommende Behandlung an den Grenzen und die Organisation im Land. Keine anderthalb Stunden nach unserer Ankunft am Schlagbaum hieß es dann Abschied nehmen von unserem mongolischen Guide, der mittlerweile durch verschiedene Beiträge über unsere Expedition landesweit namentlich bekannt war. Auf diesem Weg möchten wir Nasaa noch einmal herzlichst für seinen Einsatz und seine Unterstützung danken. Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen bei unseren nächsten Mongoleibesuchen!

    Unerwartet schnell ging auch die Abfertigung an der russischen Grenze. Nachdem man uns kurz vor dem verschlossenen Einfahrts-Tor nach Russland im Niemandsland warten ließ – der Platz war gerade groß genug, dass unsere beiden Gespanne dort hintereinander parken konnten – ging dann alles relativ zügig. Die Passkontrollen waren kein Thema und auch auf die Abfertigung der Carnets ATA waren die Grenzbeamten bestens vorbereitet. Innerhalb von sensationellen fünfeinhalb Stunden hatten wir die Einreise geschafft. Das war die schnellste aller Grenzdurchfahrten nach Weißrussland und Russland. Grund genug, den russischen Grenz-Zoll-Behörden und der deutschen Botschaft sowie dem Generalkonsulat in Novosibirsk, die unsere Wiedereinreise bestens vorbereitet hatten, für diese zügige Behandlung außerordentlich zu danken!

    Im Sprint ging es danach nach Ulan Ude. Hier kamen wir zwar nicht mehr rechtzeitig für die auf 17 Uhr angesetzte Pressekonferenz an. Aber die Gründerin und Vorsitzende der Offroad-Amazonen, Swetlana Budashkaeva, empfing uns zusammen mit ihrer Familie und eskortierte uns zum Hotel mitten im Stadtzentrum. Bei einem gemeinsamen Abendessen liessen wir in fröhlicher Runde unseren erfolgreichen Wiedereinreisetag nach Russland ausklingen.

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  6. #46 BlueGerbil, 21.12.2008
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    13.-15.12.2008 Ulan Ude – Aufbruch nach Jakutsk
    Mit den Amazonen zur Lama-Schule

    Heute hatten wir eine Entscheidung zu treffen, die uns nicht leicht gefallen ist. Durch einen Kontakt aus der deutschen Botschaft in Moskau – dem wir an dieser Stelle sehr fuer sein Engagement danken – trafen wir in Ulan-Ude mit Slava Bulatow zusammen. Er hatte fuer uns verschiedene Dinge vorbereitet, die aber durch unser Dank Grenzuebertritt verrutschtes Timing nicht geklappt haben. Was aber unbedingt sein musste, war unser Besuch eines der wichtigsten buddhistischen Tempel Russlands. Das Argument: Diese heilige Staette muss man einfach besucht haben, wenn man in Buriatien ist. Das Wunder dieses buddhistischen Tempels, die in Buriatien “Datsan” genannt werden, ist ein sitzender Lama, der seit 70 Jahren nicht weiter altert. Darueber hinaus wurden wir in Ulan-Ude dermassen herzlich empfangen, dass wir diese Einladung nicht einfach so ausschlagen wollten.

    Unsere Bedenken, die es uns so schwer gemacht haben, diesen interessanten Vorschlag spontan anzunehmen, waren vielschichtig: Vor uns lag die naechste grosse Etappe nach Jakutsk mit 2.560 Kilometern, die wir ohne Zwischenstop bewaeltigen wollten – ohnehin schon eine grosse Herausforderung an das ganze Team. Die Wettervorhersage fuer die Strecke nach Jakutsk verhiess Nebel, viel Schnee und Temperaturen bis zu minus 50 Grad – auch keine optimalen Voraussetzungen, um die Strecke schnell zu bewaeltigen. Das Team haette gerne den Tag frueh begonnen und direkt vollstaendig zum Fahren genutzt. Die Befuerchtung, dass wir durch den vorgeschlagenen Ausflug etwa die Haelfte unseres Vorsprungs auf den Zeitplan einbuessen wuerden, stand im Raum. Zusammengerechnet sind die Bedingungen dafuer, wie von Matthias als Grobziel ausgegeben am 26.12. in Magadan einzutreffen, schon schwierig genug.

    Dass wir den Ausflug zum buddhistischen Kloster “Gandan Dashi Choinkhoryg” dann doch gemacht haben, war eine der besten Entscheidungen, die wir bislang getroffen haben! Wir haben nicht nur Einblicke in das wichtigste buriatische buddhistische Zentrum erhalten, sondern auch in den mitfahrenden Baikal-Amazonen sowie Slava und seinem Sohn Roman neue, gute Freunde gefunden. Waehrend einige der Amazonen die 30 Kilometer zum Kloster in den Jeeps bei Matthias und Evgeny mitfuhren und darueber sehr gluecklich waren, haben wir eher von dem Rundgang durch das Klosterareal in der aufgehenden Sonne profitiert. Vermutlich hat jeder Einzelne aus dem Expeditionsteam einige der vielen Gebetstrommeln auf dieser Runde dafuer genutzt, fuer das Gelingen der Expedition, unfallfreie Fahrt, gutes Durchkommen oder aehnlich hilfreiche Aspekte zu bitten. Darueber hinaus wurden wir von einem der Lamas ueber die Geschichte des Klosters und der Lamaschule informiert. Dieser fruehe Sonntagsausflug hatte sich auf ganzer Linie gelohnt!

    Zurueck am Hotel hatte Swetlana, die Chefin der Baikal-Amazonen, kurzfristig ein TV-Team herantelefoniert, so dass wir durch die Interviews von Matthias und Evgeny fast die ausgefallene Pressekonferenz vom Vortag wettmachen konnten. Von dort aus ging es dann zu einem abschliessenden gemeinsamen Mittagessen. Denn nach unseren Erzaehlungen vom Tag an der Grenze, den wir am Tag zuvor ohne warme Mittagsmahlzeit verbracht hatten, wollten uns die Freunde aus Ulan-Ude auf jeden Fall gut gewappnet auf unseren Weg nach Jakutsk entlassen. Und als ob diese Herzlichkeit, das interessante Programm, die Geschenke – am Vorabend gab es buriatischen Balsam, eine Art Kraeuterlikoer – und die froehlichen Gespraeche im Drei-Sprachen-Mix, kurz die ganze Gastfreundschaft, die uns in den vergangenen 20 Stunden entgegen gebracht wurde, nicht genug gewesen waeren, erhielten wir zum Abschied einen Kontakt fuer unsere Unterbringung in Jakutsk.

    Diese Begegnung hat allen ganz besonders viel Freude bereitet. Wir hoffen, dass wir uns eines Tages fuer die Gastfreundschaft revangieren koennen. Den Kontakt zu den engagierten, interessanten Offroad-Fahrerinnen aus dem Club der Baikal-Amazonen werden wir auf jeden Fall aufrecht erhalten und ihre Aktivitaeten weiterhin verfolgen. Karl Bauer aus Moskau und Slava in Ulan-Ude danken wir ganz besonders herzlich fuer die Vorbereitung unseres Aufenthalts und die perfekte Betreuung in Ulan-Ude.

    Nach dieser schoenen Begegnung und dem erfolgreichen Tempel-Ausflug waren wir fuer die lange Tour nach Jakutsk bestens geruestet. Unser erster Orientierungspunkt unterwegs war die Stadt Chita in etwa 800 Kilometer Entfernung. Die haben wir etwa 24 Stunden nach Abfahrt aus Ulan-Ude erreicht - und direkt mal genutzt, um uns hemmungslos u verfahren. Nachdem wir in einem Hinterhof feststeckten, kam uns die oertliche Polizei zur Abwechslung sehr gelegen: Mit der Hilfe ausgesprochen freundlicher Polizisten sind wir mit Blaulicht aus unserer Sackgasse herausgelotst und an den Stadtrand eskortiert worden. Hier haben wir unsere Fahrt wieder aufgenommen, kommen aber auf den zum Teil schwierigen, sehr holprigen Strecken nicht schnell voran. Wir sind gespannt, wie lange wir fuer unsere Fahrt nach Jakutsk insgesamt brauchen werden. Fest steht: Die Nachrichten ueber die minus 68 Grad, die derzeit in Jakutsk herrschen, scheinen wahr zu sein. Die Aussentemperaturen werden kaelter und kaelter. Den Tiefstwert unserer digitalen Thermometer mit minus 39 Grad haben wir laengst unterboten - aktuell zeigen unsere provisorischen Aussenfuehler eine Temperatur von minus 46 Grad. Brrr...
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  7. #47 BlueGerbil, 23.12.2008
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    15.-21.12.2008: Chita - Jakutsk

    XXL-Etappe mit Hindernissen

    Kurz nach der Abfahrt aus Ulan-Ude wurden die Aussenbedingungen noch viel härter als in der Mongolei: Mit Temperaturen bis minus 52 Grad waren Menschen, Maschinen und Material extrem beansprucht. Noch dazu waren wir auf der 2.650-Kilometer-Etappe von Ulan-Ude nach Jakutsk unterwegs, die wir nonstop zurücklegen wollten. Eine Belastung, die schon bald deutlich spürbar wurde. Völlig unverhofft entstanden innerhalb von ca. 200 Kilometern an den während des Fahrzeugumbaus extra gegen die Originaldifferenziale ausgetauschten Spezial-Hinterachsdifferenzialen (aus dem freien Zubehörhandel) beider Autos ein Schaden, der eine sofortige Weiterfahrt unmöglich machte.

    Das Problematische an diesen beiden folgenschweren Ausfällen: Zuerst ist ein unüberhörbarer Schaden am F2 aufgetreten. Nach einer Harakiri-Bergungsaktion bei über -50° Celsius und Action, die in die Sendung "tollkühne Männer ohne Nerven" gepasst hätte, sowie einem Transport in eine Werkstatt der nächsten Siedlung (rund 120 Kilometer entfernten - Aldan), konnte dort der Schaden diagnostiziert und Ersatzteile aus Deutschland bestellt werden. Von dem Industriewerk aus ging gute 24 Stunden später für den F2 und sein Fahrerteam die Reise nach Jakutsk per Truck und Sattelauflieger weiter. Aber nur hundert Kilometer nach Fortsetzung der Fahrt trat am vorfahrenden F1 ein identischer Schaden auf. Dieses Mal mit noch dramatischeren unvorhersehbaren Konsequenzen, denn Matthias entschied, den ohnehin schon nicht mehr fahrbereiten F2 samt Trailer und allen Teammitgliedern die Reise nach Jakutsk, wo 24 Stunden später die erforderlichen Ersatzteile ankommen sollten, fortsetzen zu lassen. Er selbst verbrachte die Nacht am F1 und ließ sich in einer 10 Stunden-Aktion mit dem jetzt havarierten F1 zurück in die Werkstatt nach Aldan schleppen, um möglichst schnell Klarheit über den entstandenen Schaden zu gewinnen. Die Organisation weiterer dringend erforderlicher Ersatzteile, die aus Deutschland mit gebracht werden sollten, ist unter höchstem Zeitdruck geschehen.

    Währenddessen hat das Team, das mittlerweile seit drei Tagen und Nächten unterwegs war, die Reise nach Jakutsk fortgesetzt, fand sich aber auch hier unvermittelt vor einer neuen Hürde: Vor der Einfahrt in die Stadt von Jakutsk muss die Lena überquert werden. Das Unglaubliche: Es gibt für diese große Stadt wirklich keine einzige Brücke! Auch nicht vor oder hinter der Stadt. Man muss zwangsläufig über den Fluss. Im Sommer gehen Fähren, im Winter friert er zu. Aber eben im Augenblick nur bis zu einer bestimmten Traglast, die wir weit überschritten haben. Also mussten unser Trailer und der Jeep auf einen kleineren Laster umgeladen werden. Und wieder Organisierei am Telefon: Wer macht’s? Woher kommt der Kran? Was kostet der Laster? Können überhaupt Jeep und Trailer umgeladen werden? Was passiert, wenn Matthias mit dem F1 ebenfalls Huckepack einen Tag nach uns an exakt dieser Stelle ankommt? Was heisst das alles für unseren Zeitplan? Die Liste der Fragen war schier grenzenlos!

    An dieser Stelle möchten wir einmal allen Helfern für ihren Einsatz während dieser problematischen Fünftages-Etappe danken! Es ist unglaublich, wie viele Menschen sich mit ungeheurer Intensität von Ulan-Ude, Jakutsk, Aldan und Deutschland aus bemüht haben, über die gesamte Zeit dieser von unvorhergesehenen Schwierigkeiten geprägten Strecke Lösungen zu finden und hilfreich mitzuwirken.

    Insgesamt hat das gesamte Team rund fünf Tage durchgearbeitet und kaum geschlafen. Matthias ist wenige Stunden nach uns per Spezial-Minibus in Jakutsk eingetroffen. Von einem Hotel in der Innenstadt konnten wir danach in den vergangenen zwei Tagen viele Dinge regeln: die Entgegennahme der von Extrem Events extra beschafften Ersatzteile, die anstehenden Reparaturen am F2, Aufnahmen von der Stadt für das Buch des Ullmann-Verlags und die Filmdokumentation der Expedition, Reisevorbereitungen für alle Teammitglieder und vor allem Vorbereitungen für die Fortsetzung der Expedition im Januar in Richtung Beringstraße mit dem nächsten Team. Aufgrund der aktuellen Situation und der hervorragenden Infrastruktur in Jakutsk – eine gute Werkstatt mit dem sehr kompetenten und extrem hilfsbereiten Chef Serafim, ein internationaler Flughafen, die Möglichkeit, in der Großstadt schnell fehlende Dinge zu beschaffen, umfangreiche Film- und Fotogelegenheiten sowie Behörden, die erforderliche Durchfahrtsgenehmigungen für die Fahrt nach Chokotka ausstellen können – hat Matthias die Entscheidung getroffen, beide Fahrzeuge vorgezogen in Jakutsk und nicht wie zunächst geplant in Magadan für Chokotka und die Beringstraßenüberfahrung vorzubereiten. Darüber hinaus wird auch der Teamwechsel von Magadan nach Jakutsk verlegt. Nachdem die Rückflüge aller Teammitglieder nach Deutschland geregelt waren, ist Matthias heute Abend per Spezial-Minibus nach Aldan zurück gefahren, um dort den F1 zu reparieren. Wenn auch dieses Expeditionsgespann Mitte der Woche auf eigenen Rädern und aus eigener Kraft in Jakutsk eingetroffen ist, hat Matthias mit der Verlagerung der erforderlichen Arbeiten und aller organisatorischen Belange von Magadan nach Jakutsk für einen guten, sicheren und warmen Standort für beide Gespanne gesorgt und eine hervorragende Ausgangsbasis für die Weiterführung der Expedition im Januar geschaffen.
     
  8. #48 BlueGerbil, 28.12.2008
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    Wie baue ich an Weihnachten aus Langeweile ein Hinterachs-Differential?

    Am 24. Dezember befand ich mich noch in Aldan, um das Expeditionsfahrzeug F1 zu reparieren und dieses dann mit Anhänger MJ46 nach Jakutsk zu fahren - was schlussendlich auch klappte (Ankunft 25.12, 01:00 Uhr). Die Reparatur an sich gestaltete sich jedoch extrem schwierig und ich benötigte gemeinsam mit meinem russischen Begleiter Dima zwei Tage und Nächte, da uns zu unserer großen Enttäuschung vom Zubehörhandel die falschen Kegel/Tellerradsätze geliefert wurden. Weil in Russland alles möglich ist, haben wir uns das Differential schlussendlich aus zwei falschen Differentialsätzen und mit der Unterstützung einiger Helfer in Aldan selbst gebaut.

    Wie? Man nehme ein zu dickes Tellerrad, zerstöre es zu Testzwecken und drehe das Zweite dann mit Drehmaschinen, die gigantische Ausmaße haben, auf Maß ab. Dazu baue man diese Maschinen in stundenlanger Arbeit natürlich erst um, nachdem man die Produktion von Industrieteilen zuvor mit Hilfe eines verständnisvollen Direktors gestoppt hat. Um sich diese riesigen Maschinen nutzbar zu machen, stelle man vorher mit Hilfe eines nicht mehr benötigten Kettensatzes einer Raupe das geeignete Haltewerkzeug selbst her (diese Anleitung auf Anfrage :-) ). Genauso verfahre man mit den Kegelradwellen, nachdem man das benötigte Maß vorher in unzähligen Ein-/Ausbauversuchen ohne Messwerkzeug ermittelt hat. Dann benötigt man idealerweise einige alte Schrauben mit speziellem Zollgewinde, die man mit Hilfe einer Feile und ähnlich eines Geduldspiels zu Gewindeschneidwerkzeugen umbaut, um neue Gewinde in das Tellerrad zu schneiden.

    Dann lasse man sich von einem begnadeten, alten russischen Mechaniker noch drei 0,2mm Distanzscheiben von Hand dengeln und mixe diese mit anderen Scheiben aus den falschen Umbausätzen. Man benötigt nun eigentlich nur noch einige Stunden geduldige Einstellversuche, die händische Anfertigung eines Abziehers sowie eines speziellen Stemmwerzeuges und selbst hergestellte, dicke Unterlegscheiben (auf der schon erwähnten gigantischen Drehmaschine) und schon wird aus gar nix ein Differential, welches man sonst nur für viel Geld in den USA kaufen kann.

    Um die ganze Sache abzurunden, empfiehlt es sich, wenn die Müdigkeit und Kälte in den großen Hallen übermächtig wird, die Gastfreundschaft von Helfern anzunehmen, hunderte von Telefon-Euros für Informationen auszugeben und sich natürlich nicht zu ärgern.

    Nachdem ich dann am 24.12. nachts gemeinsam mit Dima, der mich irgendwie wach hielt, um fahren zu können, in Jakutsk angekommen bin, flog ich 3 Stunden später am 25.12. in aller Herrgottsfrühe zu Gesprächen und um restliche Dinge zu erledigen nach Magadan. Evgeny ist über Habarowsk ebenfalls dorthin gereist.

    Das restliche Team, welches mich bis hierher begleitet hat, ist schon am 24.12. mit einer der letzten Maschinen ausgeflogen und ist über kurz oder lang sicher in Deutschland eingetroffen.

    An diese Stelle nochmals einen ganz herzlichen Dank an das super Team, welches Evgeny und mich ab Moskau begleitet hat:
    Astrid, Joachim, Marco, Hendrik: Ihr ward spitze! Es hat mir viel Spaß gemacht, mit euch zu reisen. Danke für alle Unterstützung und das gemeinsame, im Grunde nie vergangene Lachen.

    Das neue Team wird am 15.01.09 in Jakutsk eintreffen und auf die Reise durch Chukotka zur Beringstraße gehen.

    Zu guter Letzt danke ich von hier aus allen für die Unterstützung auf der ersten Expeditionsetappe über rund 22.000 km von Paris nach Jakutsk und wünsche allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
     
  9. #49 Wildwater, 28.12.2008
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    ERt mal ein dickes Danke für deine Berichte hier. :daumen
    Die Anleitung dazu ist irgendwie typisch für solche Fälle. Ich habe ähnliches in viel kleinerem Rahmen auch schon hinter mir. :verrückt

    ww
     
  10. #50 BlueGerbil, 23.01.2009
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    Zweiter Teil der Expedition

    Im Moment befindet sich das Team noch in Deutschland. Der Abflugtermin ist der 23.01.2009. Für die Vorbereitung der Rückkehr nach Russland und den bevorstehenden schwierigsten Teil des ganzen Projektes, benötigte das Team etwas mehr Zeit in Deutschland und wird daher heute nach Jakutsk aufbrechen.

    Die Zeit wurde auch genutzt um zwei weitere Kurzfilme - siehe http://www.pny2009.com/cms/front_content.php?idcat=658&lang=1 - zu erstellen. Die Film-Clips decken nun die gesamte bisher befahrene Strecke ab.

    Da die Kommunikationsmöglichkeiten ab jetzt viel geringer werden, hat das Team nun einen Satelliten-Messenger dabei, mit dessen Hilfe immer der aktuelle Standort und somit die gefahrene Route online nachvollzogen werden kann. Die Karte befindet sich hier: http://www.pny2009.com/cms/front_content.php?idcat=706&lang=1
     
  11. #51 BlueGerbil, 28.01.2009
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    26.01.2009: Umbau/Vorbereitung der Fahrzeuge

    Unsere Aufgabe nun ist die maximale Gewichtsreduzierung und die Vorbereitung bzw. der Umbau auf eine der sicherlich anspruchsvollsten Offroad-Strecken überhaupt mit noch nie bewältigten Abschnitten.
    Alles, wirklich alles, prüfen wir auf echten Gebrauch oder nicht. Wenn nicht, wird es verkauft oder an Bedürftige verschenkt. Dazu gehören Kleidungsstücke genauso, wie überschüssiges Eqipment. Wir nehmen nur mit, was wir unbedingt brauchen.

    Unsere Dachboxen haben - wir wie von Anfang an vorgesehen - jetzt demontiet. Sie werden nach Fairbanks geschickt, wo wir sie wieder montieren. Dies ist notwendig, da unser Notausstieg in der Beringsee bei den Fahrzeugen über die herausnehmbaren vorderen Dachhälften der Wrangler erfolgt. Den vorderen Tank werden wir in Uelen den Menschen, die dort leben überlassen.

    Außerdem haben wir heute einen von zwei Unterflurtanks ausgetauscht, die wir uns aufgerissen hatten, begonnen die Satellitenkommunikation und Navigationsmittel aufzustocken (Laptop, Fax, GPS, Kompass, Notsignal, Notfunk, etc.), die Uni Alaska auszurichten, unseren Tracker in Betrieb genommen, begonnen den ersten Anhänger aus der Froststarre zu befreien, Elektrik am F2 instand gesetzt und einen Simmering am F1 erneuert.
     
  12. #52 BlueGerbil, 31.01.2009
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    27.01.2009: Strip my trailer

    „Ja muss ich mich denn nur ärgern?“ dachte ich, als mir das einfache Hotel "Sesaria“ (Name so ausgeschrieben, wie ich es hier in Russland ausspreche) plötzlich das Doppelte an Geld abnehmen wollte als bisher. Ich hasse so was. Vor unserer Abreise waren wir im Polarstar Hotel sehr gut untergebracht. Alles war ok. Jetzt haben wir uns für eine einfache Unterkunft entschieden.

    Wenn der Preis stimmt kann man über dreckige Zimmer, Gestank im Bad, auf Putz verlegte Abwasserrohre, undichte Badewannen, lauwarmes Wasser, keine Zimmerreinigung, keine Handtücher, verschmierte Wände, kaputte Schränke, keine Bettdecken, freche Mitarbeiter, runter fallende Verkleidungen, sich durch Leckagen selbst flutende Badezimmer, etc. hinwegsehen. Aber wenn der Preis dann plötzlich um 100% steigt, bei gleichzeitiger Exklusion des Frühstücks regt sich der Matze echt auf!

    Ok, soweit ein bisschen Frust, weiter geht’s mit den Umbaumaßnahmen. Wir arbeiten mit vier Mechanikern plus Marco und mir parallel an beiden Wagen und den Trailern. Heute war z.B. mein Trailer dran. "Strip my Trailer" war das Schlagwort nachdem die Spezialanhänger bis hierhin alle Härten vollständig klaglos hingenommen und einen super Job gemacht hatten.

    Jetzt begannen wir, alles was nicht irgendwie unentbehrlich war zu demontiert, abzuflexen, umzuschweißen etc. Die Auflösung der extra so konzipierten Anhänger hat begonnen. Eine schweinische Angelegenheit wenn alles Eis aus den letzten Ritzen taut und dich nachdem es flüssig über den ganzen dreckigen Anhänger gelaufen ist, von oben bis unten einnässt - weil, du musst ja darunter liegen, denn eine Bühne gibt es nicht. Nach und nach werden wir diese immer weiter zerlegen bis nichts mehr als der Rahmen da ist. Da sollten wir in Uelen angekommen sein. Die Bilder vorher/nachher werdet ihr in ein zwei Tagen sehen. Außerdem begannen wir mit dem Einbau der Webasto Standheizungen, tauschten den zweiten Tank, ersetzten die bisherigen LKW-Anhängerkupplungen gegen die neuen Spezial-"nato"-Anhängerkupplungen von Rockinger für extremes Gelände fahren und montierten die dritte Winde an den Fahrzeugen.

    Ziemlich müde fielen wir um 24 Uhr in die Kojen. Um 5 Uhr müssen wir wieder raus um Ulrich, unseren Fotografen, am Flughafen abzuholen.
     
  13. #53 BlueGerbil, 04.02.2009
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    28.01.-01.02.2009:

    Es war einiges los an Arbeit, Organisation und Eintreffen/Wegbleiben von Teammitgliedern bei uns in den vergangenen drei Tagen.

    Früh morgens am 28ten holte ich Ulrich Kaifer, unseren Fotografen, der problemlos nach Jakutsk eingeflogen war, am Flughafen ab. Nun waren wir also zu dritt und haben uns voll dem erwähnten Umbau der Fahrzeuge gewidmet.

    Super war, dass wir an diesem Tag auch alte Bekannte in Jakutsk wiedertreffen konnten: Thomas Beil und Uwe Lay. Thomas hatte bei mir vor einiger Zeit ein Motorrad gekauft und war mit seinem Freund auf dem Weg nach Oimijakon. Beide transportieren für uns Matarial nach Jakutsk und nach Hause und unterstützten uns organisatorisch. Wir danken beiden herzlich für ihre Hilfe.

    Am 29ten traf dann Konstantin Savva ein. Unser 2tes russisches Teammitglied kam aus Moskau und kümmerte sich sofort um die Sondergenehmigungen. Wir waren zu viert.

    Am 30ten traf nach einigen Verspätungen und Flugumlegungen Kaspar Mettler bei uns ein. Kaspar wurde nach 48 Stunden Flug direkt noch für 12 Stunden in die Werkstattarbeiten eingebunden. Er machte seine Sache perfekt und hielt stark durch. Wir waren fünf.

    Nun warteten wir nur noch auf die Meldung von Evgeny, der uns mitteilen sollte wann er in dem von uns 1000 km entfernten Ustnera eintrefen wird. Dort wollten wir auf ihn treffen und gemeinsam weiterfahren. Leider kam es anders. Evgenie teilte uns vor zwei Tagen mit, dass er noch für 10-14 Tage wegen geschäftlicher Notwendigkeit in Magadan bleiben müsse. Das war so natürlich nicht geplant. Nun fehlte uns ein Fahrer und wir mussten die eingeteilten Teams ändern. Jetzt fährt Kasper vollverantwortlich den F2 mit Marco an Bord, während ich im F1 mit Konstantin und Ulrich fahre.

    Heute nun, am 01.02.2009, nach der tollen Hilfe von Serafim und seiner Mannschaft - Artyom, Valarie, Dima, Micha, Sonja und Dima starten wir Richtung Belibina.

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  14. #54 BlueGerbil, 04.02.2009
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    01-03.02.2009:

    Ich frage mich manchmal, ob man gewisse Vorgänge einfach als normal oder als gefügt bezeichnen kann. Z.B. Kaspar Mettler. Wenige Tage vor meiner Abreise meldet sich Kaspar und möchte die härtesten Etappen der Expedition noch mitmachen. Wir machten es möglich und nahmen ihn mit.

    Nur 2-3 Tage später erreicht mich die Nachricht, dass Evgeny nicht - oder erst viel später - zu uns kommen wird. Evtl. werden wir ihn in Pevek treffen. Mit Evgeny fiel ein erfahrener Offroad-Fahrer und vor allem der Fahrer des zweiten Expeditionsfahrzeuges aus. Weder Marco noch Konstantin, - eingeschränkt vielleicht Ulrich - können die Gespanne über tausende von Kilometern durch hartes Gelände fahren. Kaspar kann es. Schon nach wenigen Tagen ist klar: Wir haben mit Kaspar einen ideal passenden Kameraden für unser Team erhalten. Er ist ein versierter, umsichtiger und zuverlässiger Fahrer und Teamplayer mit viel Erfahrung. Es passt absolut perfekt. Wir sind dankbar dafür. Überhaupt haben wir aktuell wieder ein super Team. Uli, Marco, Konstantin - alles top Profis was Zusammenarbeit, Fairness und Miteinander angeht. Uli immer mit Humor, Marco mit bayrischer Lockerheit und Konstantin mit russischer Gelassenheit.

    Seit gestern 16 Uhr sind wir wieder auf dem Weg und Jakutien will uns anscheinend die gleichen Herausforderungen stellen wie im Dezember bei der Ankunft. Die Region sorgt mit bis zu -52 Grad dafür, dass alles schwer fällt.

    Zum ersten Mal trafen wir heute auf ein Phänomen, das jeder Fahrer hier fürchtet: Nalid Ice.

    Was ist es; wie entsteht es; bzw. welche Gefahr birgt es?

    In der Regel entsteht es wenn ein Fluss aufgrund kältester Temperaturen vollständig bis auf den Grund zufriert. Dann kann das anströmende Wasser nicht mehr unter dem Eis fließen und sucht sich Wege dazwischen und darüber. Es entstehen zum Teil meterhohe Wasserblasen. Das überströmende Wasser gefriert nicht gleich und ist nicht tragfähig. Fahrzeuge die es befahren, brechen in das Eis ein und frieren - wenn sie nicht schnell genug geborgen werden können - gnadenlos fest. So mancher Wagen/LKW wartet Wochen und Monate auf die Bergung. Wir trafen am Fluss Setorym auf Nalid Ice, welches jedoch nur 10/15 cm aufbrach. Wir konnten also passieren.

    Mittlerweile sind wir in Ustnera eingetroffen. Nach fast genau 42 Stunden Non-Stopp-Fahrt. Wir sind nun alle seit rund 53 Stunden wach (sieht man mal von drei je rund einstündigen Schlafstopps in der Einsamkeit Jakutiens ab) und haben noch den heutigen Tag vor uns um die Fahrzeuge für die nächste Etappe zu präparieren, die uns auf dem Fluss Kolyma nach Syrianka führen wird.

    Die Menschen in Ustnera warnten uns schon vor, dass es durch die tiefen Temperaturen viel Nalid Ice geben wird. Zudem herrschte vor zwei Tagen ein Sturm, der alles mit Schnee zuwehte - Sche***

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  15. #55 BlueGerbil, 04.02.2009
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    04.02.2009:

    Wir mussten uns entscheiden den heutigen Tag noch in Ustnera zu verbringen.
    Am Ende 60 Stunden wach ist dann doch ein wenig viel um nach fünf Stunden Schlaf die gefährlichen 400 km nach Syrianka in Angriff zu nehmen. Alle warnen uns vorsichtig zu sein, helfen aber auch noch Tricks an den Autos umzusetzen, spezielle Eisbrechstangen zu besorgen etc.
    Wir brechen morgen früh auf.

    Am Abend lud uns unser Freund Vitalie aus Ustnera noch ein an einer Geburtstagsfeier seiner Mutter teilzunehmen.
    Bewirtet mit besten jakutische Spezialitaeten wie Därmen junger Pferde und anderer Leckereien, verbrachten wir vier Stunden im Kreise seiner Familie. Tanzen und singen gehören hier dazu und so brachten auch wir auf deutsch ein Ständchen und tanzten nach einigen Wodka mit den Damen im Alter unserer Mütter. Es war ein herzliches Fest.
    Es war sozusagen eine wirklich schöne Verabschiedung aus der Zivilisation in die Härte des Kolymar Gebiets.

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  16. #56 BlueGerbil, 09.02.2009
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    05.02.2009: Einstieg in die Winterwege

    Wir starteten nachdem wir rund 850 Liter Benzin aufgenommen und das Bioethanolmischungsverhältnis hergestellt hatten gegen 10 Uhr aus Ustnera und fühlen uns nun zeitweise wie Kapitäne auf einem Schiff: Mit anfänglich 1,2 Bar Luftdruck (später reduzierten wir nochmals wegen starker Schneeverwehungen auf 0,7 Bar) und als Vorsichtsmaßnahme, die sich bewähren sollte, mit ausgebauten Stabilisatoren schaukeln die Wagen wie auf hoher See. Der Grund: Ohne die Stabilisatoren ist die Verschränkung nochmals viel besser und die elektrischen Diskonektoren werden durch das viele Eis nach dem Einbrechen in Wasser einfrieren. Das wollten wir verhindern.

    Wir erreichten nach ca. 90 km Winterstraße Richtung Magadan den kleinen unscheinbaren Abzweig nach Syrianka. Dieser Einstieg markiert den Beginn der harten Winterwege Chukotkas. Von hier aus (rund 600 m über NN) führte uns unsere erste Winterwegsetappe ca. 60 km auf den zugefrorenen Flüssen Burustach und Andigitschan Richtung Sasyr. Insgesamt legten wir in 15 Stunden Fahrt rund 220 km zurück, überquerten drei Pässe bis auf 1300 m über NN, halfen zwei LKW-Fahrern, die mit Motorschaden liegen geblieben waren indem wir über Satellitentelefon einen Notruf an die Zentrale absetzten, fuhren durch das Aquarium* und winchten mehrfach mein komplettes Gespann aus Tiefschnee, wenn ich beim Durchbrechen des Schnees stecken blieb.
    In jedem Fall haben sich die Winden bei den jetzt rund acht Tonnen schweren Gespannen ein ums andere Mal bewährt - wie auch die Spezial-Anhängerkupplungen von Rockinger. Sie ermöglichen extremste Verschränkung zwischen Fahrzeug und Trailer - und die hatten wir zur Genüge.

    Die Winterwege sind von 6x6 oder 8x8 Trucks "durchgebrochene Tracks". Sie führen querfeldein, entlang oder durch/über Flüsse, Wälder, Hänge, Ebenen, etc. Gerade so, wie die Trucks durchkommen. Oft waren wir mit 10 km/h oder weniger unterwegs und fuhren durch Täler oder Hochebenen und über Pässe, die von gewaltiger Schönheit sind. Auf einer dieser Hochebenen musste vor kurzem ein heftiger Sturm getobt haben. Es sah aus wie nach einem Erdbeben. Überall Zacken, Eis und meterhohe Schneeverwehungen, die im unwirklichen Scheinwerferlicht wie aufgebrochene Erde aussahen.

    Unterwegs trafen wir Trucker in ihren extrem Urals und Kamaz, die sich verwegen durchkämpfen. Sie berichteten uns von mehreren offenen Flüssen, die wegen warmen Wassers nicht zufrieren. Bei ihrer Überquerung sollten wir vorsichtig sein. Nachdem wir gegen 3 Uhr morgens den offenen Fluss erreicht hatten, stoppten wir und richteten uns für die Nacht ein. Den Fluss bei Nacht zu durchqueren war zu gefährlich. Am nächsten Morgen traf es sich sehr gut, dass wir einen LKW-Konvoi auf uns zukommen sahen. Die Trucks durchquerten den Fluss auch nur mit Mühe. Wir konnten zusehen wie ein Kamaz aus dem Fluss geborgen wurde, der die meterhohe Eisstufe nicht erklimmen konnte. Nicht weit von der Stelle wo die Trucks querten fand Kaspar eine zerstörte alte Brücke. Die LKWs trägt sie nicht mehr aber unsere Fahrzeuge hoffen wir wird sie aushalten um uns eine heftige Winchaktion zu ersparen.

    *Das Aquarium: Bei LKW-Fahrern berüchtigter kleiner See, kurz vor dem dritten Pass, auf dem sich in der Regel Nalid Eis bildet. Als wir am Morgen LKW-Fahrer trafen, sagten sie uns es sei ca. 5 cm dick. Nachmittags waren es schon 30 cm und als wir eintrafen brachen wir bis über die Achsen ein. Wir mussten es durchfahren, da wir damit rechneten, dass wir am nächsten Morgen noch tiefer einbrechen und uns die Autos am aufgebrochenen Eis der Trucks, welches wild hochsteht, beschädigen würden. Das hatte aber auch zur Folge, dass wir nicht wie ursprünglich geplant auf dem dritten Pass übernachten konnten (die Temperaturen sind in der Höhe in der Regel bis 10 Grad wärmer als im Tal), sondern weiter fahren mussten um zu verhindern, dass die Räder, Bremsen und Achsen nach der Wasserdurchfahrt einfrieren.

    Feeling Gruppe: Nach sechs Stunden Schlaf und einem ausgedehnten Frühstück in herrlicher Landschaft bei Sonnenaufgang war die Power wieder da, nachdem zuvor die Anstrengungen an den Nerven zehrten.

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  17. #57 BlueGerbil, 09.02.2009
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    06.02.2009: Sasyr

    Die kleine Brücke hielt. Und als wir danach auch noch eine große Fläche Nalid Eises ohne Probleme durchfuhren weil es schon wieder gefroren war, war der Tag gebongt. Ein schwieriger Teilabschnitt war genommen.

    Auf unserem weiteren Weg entdeckten wir zwischen Bäumen ein Basecamp der Rentierhirten. Es war vorübergehend verlassen, aber beeindruckte uns doch. Auf ein paar zusammengebundenen Holzplanken in ungefähr 1,5 m Höhe wird in Fellen geschlafen. Als Schutz dient lediglich einen notdürftige Plane. Schon gestern sahen wir Spuren eines oder mehrerer Hirten mit einer großen Anzahl von Tieren und folgten ihnen - jedoch ohne sie zu treffen.

    Gegen 17 Uhr erreichten wir das von unserem nächtlichen Rastplatz rund 85 km entfernte native Dorf Sasyr. Es ist hauptsächlich von Pferde- und Rentierhirtenfamilien bewohnt und hat eine lange Tradition. Hier steht auch das einzige Museum, welches die Historie des Volksstammes der Ewenen zeigt. Keine fünf Minuten nachdem wir einfuhren, umringten uns vielleicht 20 Kinder. Groß war die Freude, als wir ihnen in dem kleinen Shop Schokolade kauften. Direkt lud uns eines der etwas älteren Kinder zu sich nach Hause ein. Dort angekommen bewirtete uns die Familie mit Tee und Gebäck.

    Anschließend fuhren wir noch rund 70 km über heftigste Buckelpisten durch Wälder bis zu unserem jetzigen nächtlichen Standplatz im Tiefschnee bei -48°C.

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  18. #58 BlueGerbil, 09.02.2009
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    07.02.2009:

    Ich hatte mich knapp verkalkuliert.
    Als wir am Morgen aufwachten war dies nicht weil der Wecker klingelte oder wir ausgeschlafen hatten, sondern weil der Motor am F1 ausging. In der Nacht wollten wir die Tanks bei eisigen Temperaturen nicht noch auffüllen und ich kalkulierte die Restmenge im Haupttank sollte knapp bis zum Morgen reichen. Sie tat es um eine halbe Stunde nicht. Das eine Umpumpaktion unmittelbar nach dem Aufwachen und in schneidender Kälte nicht wirklich Spaß macht und man schlagartig hell wach ist, ist auch klar. Entschädigt wurden wir mit dem Eintreffen der ersten Sonnenstrahlen und einem Landschaftsbild wie es sich ein Maler nicht schöner hätte ausdenken können.

    Interessant ist bei uns immer das Frühstück. Die beengten Platzverhältnisse in den Wagen ringen uns in der Regel akrobatische Leistungen (das gilt auch für die Bildbearbeitung, die Uli während der Fahrt mit großer Fingerfertigkeit aber mit noch mehr Geduld - leichtes bis mittelschweres Fluchen über die nächste Beule am Kopf oder Ähnliches hören wir vorne kaum noch - zu Wege bringt) ab. Und da das Frühstück bei uns die einzige Mahlzeit ist, die wir im Ruhezustand - also ohne zu Fahren - einnehmen, geben wir uns natürlich Mühe. Da wir im Auto kochen, müssen die drei Schlafplätze mit dem Innenraumequipment in die Küche verwandelt werden, wozu Umbaumaßnahmen notwendig sind. :-)
    Aber dann ist's kuschelig. Dass drei Männer im Jeep komfortabel schlafen können ist eh klar. :-) Heute Morgen z.B. flippte mein dick bestrichenes Marmeladenbrot, welches ich auf meiner Tasse abgelegt hatte, welche auf dem Rand des GPS stand, welches neben dem Funkgerät montiert ist und gab sich der Erdanziehung hin. Bis es mit der Marmelade nach unten die Endposition auf der Hydrauliksteuerung eingenommen hatte, streifte es noch das Funkkabel, das Lenkrad, von dort das Laptop um dann über meine Hose und das Sitzfell nach unten zu rutschen.

    Mittlerweile fahren wir fast nur noch auf Flüssen oder durch Flussbetten über Treibholz. In einem dieser engen Flussläufe trafen wir Vitali und Kirill. Beide leben in einem 2,5 x 2,5 m großen, einfachen Zelt und arbeiten daran, einen Mitte Dezember in Nalid Ice eingebrochenen 6x6 Urla-Truck aus dem Eis zu befreien. Der Wagen ist ein einziger riesiger Eisklumpen. Der Trick besteht nun darin, den LKW als ganzen Eisblock aus dem Fluss zu lösen und diesen rund 9 x 3 x 1,5 m großen Brocken mittels einer Eisrampe und zwei weiteren Trucks aus dem Fluss an Land zu ziehen.
    Eine Mörderarbeit. Diese wird ungefähr zwei Wochen dauern. Danach braucht man nochmals rund eine Woche um den Truck mittels großer Bunsenbrennern aus dem Eisblock raus zu tauen und rollbereit zu machen. Ein anderer Truck wird dann das havarierte Fahrzeug 200 km in die nächste Ansiedlung schleppen, wo die Reparatur beginnen kann.

    Wir hoffen Syrianka in rund sieben Stunden zu erreichen.

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  19. #59 BlueGerbil, 11.02.2009
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    11.02.2009:

    Wir kriechen mit 5 km/h daher und sind eigentlich viel zu langsam. Die extrem heftigen, harten und buckeligen Winterwege lassen aber keine höheren Geschwindigkeiten zu. Nach rund drei Tagen mehr oder weniger nonstop Fahrt ab Ust-Nera (wir schliefen immer nur ein paar Stunden in der Taiga) sind wir gestern Nachmittag in Syrianka angekommen. Wir begannen sofort mit der Suche nach einer warmen Garage und einer Übernachtungsmöglichkeit. Beides fanden wir dank sehr freundlicher russischer Helfer. Die Garage hatte genug Platz für die Autos und Anhänger und man ließ uns trotz der sonntäglichen Pause mit der Kontrolle der Fahrzeuge und Anhänger sowie der Instandsetzung verschiedener Beschädigungen beginnen.

    Parallel kaufte ein Teil des Teams weitere Vorräte für die kommenden 1500 km bis Belibina ein. Konstantin organisierte ein Zimmer für uns (5 Mann auf 3,5 x 3,5 m), wo wir uns wieder mal ausstrecken konnten - siehe hierzu auch Ulis Anmerkungen/Anekdoten**. Irina, die freundliche ältere Hausdame kochte sogar für uns und wir konnten in der Zwischenzeit ein paar Sachen waschen.
    Endlich wieder ein Hotel.

    Matthias Jeschke


    ** Ulrich Kaifer:
    Wir hatten ein kleines nettes Apartment mit einem Zimmer und kleiner Küche.
    Das Badezimmer machte einen super Eindruck. Ich hatte die Ehre als erster duschen zu dürfen und nahm nach drei Tagen Abstinenz dankend an. Im Gegensatz zu allen anderen bisherigen Duschen hatte diese sogar eine Duschkabine was insofern ganz nützlich sein kann, als dass man das Bad nicht jedes mal komplett fluten muss. Als ich in die Kabine stieg merkte ich jedoch sofort, dass ich weit gefehlt hatte. Die Kabine war erstens nicht auf der Duschtasse befestigt, so dass diese schräg saß und zweitens sich die Tür nicht richtig schließen ließ. OK, dann wohl doch fluten. Viel schlimmer war jedoch, dass sich die Temperatur des kleinen Wasserstrahls nur zwischen kochendem Wasser und eisig kalt regulieren ließ. Als ich endlich nass war musste ich zudem noch feststellen, dass sowohl mein Shampoo, sowie die Waschlotion in meinem Kulturbeutel, welcher während der Fahrt unter der hinteren Sitzbank lagert, gefroren waren. Beim Ausstieg hielt ich mich dann noch grob fahrlässig an der Handtuchstange fest, welche sich dann von der Wand löste und in Ihre Einzelteile zerfiel. Trocken, sauber und glücklich verließ ich dann schließlich das Bad.

    Ein weiteres kleines Missgeschick passierte mir wenig später. Wir hatten die Möglichkeit unsere dreckige Wäsche in einer Maschine zu waschen. Kaspar hatte sich darum gekümmert und kam erstaunlich schnell mit gewaschener aber feuchter Wäsche zurück. Die Waschdauer kann nicht mehr als 20 Minuten betragen haben. Die Heizung war nicht wie sonst immer in Russland auf Sauna gestellt. An einem roten Drehknopf an der Seite wollte ich dies ändern. Was man wissen muss, normalerweise laufen die Heizungen in Russland auf vollen Touren, die Raumtemperatur wird nur über das Öffnen der Fenster reguliert.

    Die Tatsache eines roten Drehknopfes hätte mich eigentlich stutzig machen müssen, aber als mehr oder weniger Anfänger in diesen Breiten habe ich diesen mal beherzt aufgedreht. Das Öffnen des ziemlich großen Entlüftungsventils hatte zur Folge, dass die doch relativ frisch gestrichene Wand mit einer nicht ganz unerheblichen Menge ziemlich brauner Brühe versaut wurde. Ich war so verdutzt, dass ich das Ventil auch erst nach geschätzten drei Sekunden wieder zudrehen konnte. Die Wand konnte ich ganz gut reinigen, die Pfütze in der Raumecke überließ ich Ihrem eigenen Schicksal. Der Schaden hielt sich aber in Grenzen.

    Danach hatten wir einen ganz netten Abend in unserer kleinen Küche. Die Dame an der Rezeption machte uns ein warmes Abendessen aus Lebensmitteln, die wir für diesen Zweck eingekauft hatten. Nach zwei Bier und dem warmen Essen war ich im Nu so müde, dass es mir schwer viel nicht am Tisch einzuschlafen.

    Kaspar und ich durften uns als Dienstälteste das Bett teilen, der Rest schlief mit Schlafsäcken auf dem Boden. Es gab jedoch nur eine Decke für uns zwei. Ich beschloss mir aus zwei Bezügen meine Bettdecke zu bauen. Dies ging anfänglich auch ganz gut, ich schlief sofort ein, wachte aber in der Nacht wieder auf weil mir kalt war. Nach langem Kampf gegen den allseits bekannten Schweinehund zog ich mir einen Pullover an, fror dann aber weiter an den Beinen und hatte keinen sonderlich guten Schlaf.

    Insgesamt war ich aber doch ganz froh mal wieder in der Zivilisation gewesen zu sein, geduscht und in einem Bett geschlafen zu haben.
     
  20. #60 BlueGerbil, 14.02.2009
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    11.02.2009 - Teil 2

    Noch zu keinem Zeitpunkt wurde uns die Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft der russischen Bevölkerung nicht zuteil. Und ohne die freundlichen russischen Helfer wird es hier sehr schwierig bis unmöglich. Du brauchst mal schnell ein schweres Werkzeug oder ein Schweißgerät oder eine Drehbank oder eine Garage oder was auch immer. An dieser Stelle möchten wir zwischendurch wieder einmal allen, die wir kennen lernen durften weil sie uns halfen, und denen, die für das Einsatzteam unbekannt etwas tun oder taten, sei es im Vorder- oder im Hintergrund, vielen, vielen Dank sagen.

    Am nächsten Abend ging es weiter auf eine 380 km lange, nervenzehrende Fahrt auf dem Fluss Kolymar. Diese mit Eislöchern gespickte Buckelpiste (entstanden aus Luftblasen, die von Trucks eingedrückt wurden) hatte es in sich. Hundertfach schlagen die Reifen durch, brechen wir in Messerscharfe Eislöcher ein oder durchfahren sie, überfahren wir Steine, Baumstämme etc. Dass wir weder an einem der Anhänger, noch an einem der Jeeps bisher einen Reifenschaden hatten, bestärkt mal wieder meine Überzeugung, dass wir mit dem Goodyear Wrangler MT/R den besten Geländereifen der Welt auf unseren Expeditionen einsetzten.

    Wir benötigten für die nonstop Fahrt mit bis zu -50°C - während derer wir auch den Arctic Circle überquerten - rund 16 Stunden und kamen geschlaucht in Schritniekolimsk, einem Dorf in the middle of nowhere an. Dort angekommen wurden wir binnen Minuten von Journalisten und Einwohnern begrüßt. Es ist ein wirklich schönes kleines Dorf, das an das Ufer der Kolymar aus Holz gebaut wurde. Es ist aufgeräumt und die kleinen eigenen Häuser sind größtenteils hübsch zu Recht gemacht und gepflegt. Das dieses kleine Dorf, in dem neun Monate im Jahr Winter herrscht, auch Stadtrechte besitzt, geht - wie wir hörten - auf eine Geschichte während der Zeit von Katarina II zurück.

    Auf Grund der extremen Winterwege, die uns und unserem Material alles abverlangen, müssen wir alle paar hundert Kilometer kontrollieren und reparieren. Zum Glück hatten wir auch dieses Mal eine kleine Garage, in der es um null Grad war und wir die Arbeiten erledigen konnten.

    Wenn man sich fragt wie die Wege, die wir fahren sind, so kann man nur sagen, dass viele normale Geländewagen diese schon auf Grund der Böschungswinkel kaum hätten meistern könnten ohne sich die Stoßstange etc. abzureißen. Man kann kaum beschreiben wie zerstörerisch sie sind. Tausende von Löchern, hohen Wellen, Ästen, Baumstämmen, steile Auf- und Abfahrten in Flussbetten etc. Und wir zerren dort auch noch die Trailer durch. Das dies nicht bis ans Ende ohne Schäden geht ist allen klar. Wann wir jedoch das erste größere Problem haben würden konnte keiner sagen. Dass es aber nicht mehr lange dauern konnte bis irgendetwas nachgab war klar. Heute Nacht war es dann soweit. Es passierte in einem Hohlweg ca. 50 km hinter Schritnikolimsk. Rechts und links eine 1 m hohe Böschung. Der Weg war so schmal, dass immer nur einer durchfahren konnte und mit hohen Wellen und Brüchen versehen. Dort zerrten wir die Trailer im ersten Gang mit Untersetzung und Sperren durch, als ich meinen plötzlich im Rückspiegel vorne in die Luft ragen sah. Zuerst dachte ich die Anhängerkupplungen seien auseinander gerissen, was aber nicht der Fall war. Es war der Rahmen, an dem ein Teil abgebrochen war. Nun hieß es improvisieren. Und das - wegen der Kälte und weil große Uraltrucks vor und hinter uns auf die Durchfahrt warteten - schnell. Mit Spanngurten bauten wir eine Behelfslösung und machten nach rund einer Stunde die Gasse frei, indem wir uns etwa 300 m weiter in die Böschung schlugen.

    Nachdem die Trucks passiert hatten, mussten wir noch auf schwierige Art und Weise wenden und fuhren sehr langsam zurück in ein kleines Dorf mit Namen Nalimsk, welches wir vor ungefähr 30 km passiert hatten. In dem Dorf, in dem ausschließlich Jakuten auf traditionelle Art und Weise mit der Natur leben, fragten wir den Bürgermeister wer uns ein Schweißgerät zur Verfügung stellen oder uns etwas schweißen könne. Er sagte uns, dies sei nur morgen früh möglich und lud uns ein in seinem Bürgermeisterzimmer zu übernachten. Zwischen Stühlen, Fahnen und Tischen schliefen Ulrich Kaifer, Kaspar Mettler, Marco Schwarzer und Konstantin Savva, während ich in meinem Wagen blieb um sicher zu stellen, dass die Motoren bei -50°C gut durchliefen.

    Am nächsten Morgen organisierte der Bürgermeister wie versprochen die Reparatur. Ivan, der Schweißer des kleinen Kohleheizkraftwerks des Dorfes, nahm uns mit zu sich nach Hause. Er hatte einen kleinen Transformator mit dem er ein elektrisches Schweißgerät betreiben konnte. Nachdem er Felle unter dem Anhänger ausgebreitet und aus einer alten Stahltürzarge vier Verstärkungsteile hergestellt hatte, begann er mit richtigen Schweißen. Die Reparatur inkl. der präventiven Maßnahmen dauerte den ganzen Tag - draußen versteht sich, weil es keine Garage gab. Zwischenzeitlich lud er uns noch zu Tee und Gebäck, anschließend sogar noch zum Pferdefleisch essen ein. Da sich in dem traditionellen Hauptgericht auch eine ausgiebige Menge Pferdedärme befand, fiel es einem Teil des Teams nicht leicht der Höflichkeit halber die von der anwesenden Schwiegermutter randvoll gefüllten Teller zu leeren. Gegen 17 Uhr wollten wir aufbrechen und befuhren langsam die Dorfstraße, als immer mehr Kinder und Jugendliche um uns herum auftauchten. Auch Erwachsene kamen, aus Fenstern wurde gewunken.

    Wir hielten wieder und wieder an, erklärten, ließen auf den Autos unterschreiben und mussten Fotos machen. Abschließend bug man für uns sogar noch frische Brote für den 700 km langen harten Weg, im mehr oder weniger Schritttempo nach Tscherskie, der nun vor uns liegt. Bei einsetzendem Schneefall fuhren wir los.

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Thema:

Jeep auf den Spuren der Völkerwanderung - Rekordfahrt von Paris nach New York